Ein Jahr(esrückblick)
Heute genau vor einem Jahr, am 13. Dezember 2021, sind wir in Davao, unserer neuen Heimat, angekommen. Ein schöner Zeitpunkt für eine Zusammenfassung…
Inhaltsverzeichnis
Ausreisegründe
Zum letzten Jahreswechsel hatte ich schon eine klitzekleine und bei weitem nicht vollständige Zusammenfassung geschrieben, was ich an unserer alten Heimat kritikwürdig fand. Nun, mit einem Jahr Abstand? Möglicherweise befinde ich mich auch in einer Filterblase, und alle meine Kritiker haben recht. Ich glaube, da werde ich am Jahresende noch mal meine Gedanken neu fassen. Was ich aber für mich aus meiner Sicht sicher feststellen kann: Es ist in Deutschland nicht besser geworden. Ich wäre in Deutschland nicht glücklicher geworden. Das langsame und zögerliche zurückkehren der Lebensqualität, die ich gewohnt war, für die ich meine Frau nach Deutschland geholt habe… Irgendwie ist alles noch sehr spärlich und eher ein Abbild früherer Qualität. Höhere Preise, mehr Probleme, mehr Ängste… Nein, aus Berichten von Nachrichten und Daheimgebliebenen kann ich, auch nach einem Jahr, nicht erkennen, einen Fehler gemacht zu haben. Vielleicht werden mir ja nur nicht genug Geschichten von Glücksbärchi und Regenbogeneinhörnern übermittelt?
Erwartungen
Nun… Welche Erwartungen hatte ich eigentlich an unsere neue Heimat, die Philippinen? Hitze & Schwüles Wetter. Ein schwaches Gesundheitssystem, katastrophale Straßen, unzuverlässige Handwerker, alle möglichen Menschen, die nur unser bestes wollen… unser Geld. Abschied von Gewohnheiten, Freunden und Bekannten, ungepflegte Landschaften und wenig reizvolle Ausflugsziele. Willkommen für unzählbare Mücken und anderes Getier. Wir sind nie hier her gekommen mit dem Ansatz, ein Land voller fließender Milch und Honig vorzufinden. Ein für uns passendes Steuersystem war schon das positivste, was ich erwartet (und bekommen) habe. Der Vorteil von niedrigen Ansprüchen: Sie sind nur schwer zu enttäuschen.
Was kam dann wirklich? UI… das könnte lang werden. Ganz vorne die Unterkunft, welche uns bis heute von Genes Schwester kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Ein komplettes Haus mit fließend Wasser & Strom, welches wir nach und nach an unsere Wünsche anpassen durften. Endlos langes frühsommerliches Wetter durch die Lage in den Bergen mit angenehm kühlen Nächten. Ein neues soziales Umfeld mit unerwarteten Freundschaften. Ein mückenarmes Haus dank massivem Mosquito-Schutz. Ein lustiges Auto, welches ich so in Deutschland sicherlich nie hätte fahren wollen, dazu ein Motorrad, welches ich in Deutschland immer als deplatziert empfunden (und bezeichnet) hätte. Anderes, aber auch gewohntes Essen. Kein frieren mehr, wobei ich mir nun morgens bei 23° schon mal ein Bettlaken überwerfe.
Wir haben ein recht gutes Krankenhaus in 6 Minuten Entfernung, 2 Glasfaserleitungen/Internetanbieter im Haus, zusätzlich zu einem Mobilfunkrouter. Alle 3 Internetverbindungen kamen 3 Tage nachdem ich sie beauftragt hatte, die Convergeverbindung sogar innerhalb von 12 Stunden.
Auf dem Dach werkelt eine Photovoltaikanlage, komplett selbst installiert, ohne irgendwelchen Papierkram mit den Behörden, ohne irgendwelche Netzentgelte oder Vorschriften. Wir können hier, wenn wir wollen, selbst unseren Strom erzeugen, in unbegrenzter Höhe. Wir können selbst unser Wasser fördern, wenn wir das wollen. Wir machen inzwischen die erste Wurst selbst – wenn auch lange noch nicht in dem gewünschten Umfang. Und seit Monaten ist auch diese sch… Gesichtsmaske Geschichte. Die hat mich echt genervt! Das Leben fühlt sich hier freier an. Keine Unterlagen mehr für das Finanzamt sammeln, kein Arbeitsaufwand für eine Buchführung. Sogar der Dreck mit meinem früheren Arbeitgeber Landefeld ist inzwischen Geschichte. Ein kleines tief hatte ich noch, weil ich eine zeitlang zu viel Nachrichten aus Deutschland konsumiert habe. Geschichte. Ja, man fühlt sich, von vielen Verpflichtungen befreit, freier. Ich zumindest.
Zukunftsaussicht
Ich kann mir im Moment keine Rückkehr nach Deutschland vorstellen. Ja, ich vermisse die Ahle Wurscht und die deutschen Frühstücksbuffets.
Ahle Wurscht wird kommen, und zwar selbstgemachte! In der Rezeptur sind wir schon angekommen, ich würde sogar sagen: Fertig. Nun fehlt noch der Reifeschrank, auch der wird kommen. Vielleicht erst auf dem neuen Grundstück, aber er wird kommen!
Und das Frühstücksbuffet macht meine Frau inzwischen selbst. Nur das mit den knusprigen Sonntagsbrötchen, das wird derzeit noch nix. Bei 65% und mehr Luftfeuchtigkeit ist das echt eine Herausforderung.
Eine Herausforderung war auch das Aufweichen von Beziehungen. Ich war schon immer zu voreilig, Bekanntschaften zu Freunden zu machen… oder sagen wir besser: Bekanntschaften als Freundschaften zu bezeichnen oder zu fühlen. Hier tat es mir gut, schon bei 2 Arbeitgeberwechseln festzustellen, das „Freundschaften“, bzw. das, was man oft als solche bezeichnet, wohl doch im echten Leben eher Zweckbündnisse sind. Halt das, was man beim Bund so treffend als „Kameraden“ bezeichnet. Ein Vorteil am Älter werden: Man hat mehr Erfahrungen, auf die man zurückgreifen kann.
Nein, eine dauerhafte Rückkehr nach Deutschland betrachte ich derzeit als ausgeschlossen. Es gibt inzwischen einfach mehr, was mich „In der Welt“ festhält, als etwas, was mich zurückzieht. Nicht zuletzt natürlich auch unser neues Grundstück, welches ich eigentlich nur mit „Gottesgeschenk“ korrekt umschreiben kann. Dazu wird es sicherlich nächstes Jahr auch Bilder geben.
Ach ja… Katastrophale Straßen? Jupp, die hat es immer noch hier. Mit einem großen Unterschied: Hier werden die Straßen besser, in Deutschland schlechter 🙂